Zum Thema Fettfutter im Frühjahr und Sommer gibt es immer wieder Unsicherheiten. Es herrscht die Sorge, dass Jungvögel daran ersticken könnten, es nicht verdauen könnten oder dass es sogar den Bruterfolg senken würde. In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit den Fakten und den Einschätzungen der Ornithologen.
- Empfehlungen langjähriger Ornithologen
- Studie: Fettfutter zur Brutzeit lässt Population deutlich steigen
- Empfehlungen von Naturschutzverbänden
- Hoher Energieverbrauch durch Insektenmangel – Fett als wichtiger Energielieferant
- Verdauungsprobleme bei Jungvögeln?
- Horror-Fotos: Unverdautes Fettfutter im Magen von toten Jungvögeln
- Ersticken Jungvögel am Futter?
- Tierisches Fett ist unnatürlich und nicht artgerecht?
- Studien: Fettfutter reduziert Bruterfolg?
- Fettfutter erhöht Bruterfolg
- Ergebnisse aus 82 Studien zusammengefasst
- Was ist Fettfutter überhaupt?
- Fett im Sommer – Richtige Lagerung
- Fazit
Empfehlungen langjähriger Ornithologen
Prof. Dr. Peter Berthold, Deutschlands bekanntester Ornithologe, mit mehr als 60 Jahren Berufs- und Forschungserfahrung, ehem. Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell und für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet (u.a. mit dem Bundesverdienstkreuz), sagt:
„Das ganze Sommerhalbjahr über beliebt als günstige Energielieferanten für die mit der Brut stark in Anspruch genommenen Elternvögel, bleiben Meisenknödel sowie Erdnüsse. Beide sollte man in ausreichenden Mengen vorrätig halten […]. Häufig sind Fettfuttermischungen auch im Sommerhalbjahr die bevorzugte Lieblingsspeise. […] Als Leitsatz gilt: Sommer- und Winterfutter sind weitgehend identisch, auch im Sommer sollte viel Fett angeboten werden […].“ 3 4
Prof. Dr. Martin Kraft, langjähriger Ornithologe und Privatdozent für Ornithologie an der Philipps-Universität in Marburg:
„Seit vielen Jahrzehnten forsche ich über die Auswirkung ganzjähriger Fütterungen auf die Populationsdynamik, Biologie und Ökologie freilebender Vögel! […] Jetzt im Frühling brauchen die Vögel viel Eiweiß, aber auch Fette und Kohlenhydrate. Es gibt keine wissenschaftliche Studie, die glasklar beweist, dass ganzjährige Vogelfütterungen nachhaltige Schäden für Vögel bewirken! Lasst euch also nicht beeinflussen und stoppt auf keinen Fall eure Fütterungen. Bietet das richtige Futter an, haltet die Futterstellen und Wassertränken sauber und erfreut euch an kerngesunden Vögeln, so wie ich es auch mache!“ (22)
Dr. Norbert Schäffer, bekannter promovierter Ornithologe. Vorsitzender des Landesbunds für Vogelschutz in Bayern (LBV), Vizepräsident beim Deutschen Rat für Vogelschutz (DRV) und ehem. Beirat der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft.
„Fett ist besonders im Winter ein wichtiger Nährstoff für Vögel, denn aus der Verwertung von Fetten erhält der Organismus die meiste Energie. […] Bei alledem besteht kein grundlegender Unterschied zwischen der Fütterung von Vögeln im Winter oder ganzjährig, das sei hier klar gesagt. […] Selbst gemachtes Fettfutter können Sie in verschiedenen Formen anbieten.“ (39)
Studie: Fettfutter zur Brutzeit lässt Population deutlich steigen
Der Ornithologe Prof. Dr. Martin Kraft der Philipps-Universität in Marburg, führte eine Studie zu den Auswirkungen einer Ganzjahresfütterung mit Fettfutter durch (18):
„Das ganzjährig dargebotene Futter bestand aus: Sonnenblumenkerne, festen Rindertalg, Mehlkäferlarven und einer Fettfuttermischung […]. Die Fettfuttermischung erwies sich als besondere Lieblingsspeise. […] In allen Untersuchungsjahren lag der höchste Tagesverbrauch in den Sommermonaten, also in der Zeit der Jungenaufzucht.“
Ergebnis der Studie:
„Zu einem deutlichen Dichteanstieg kam es im Untersuchungsgebiet auch bei den wichtigsten Höhlen- und Freibrütern, so stieg sie in fünf Jahren um mehr als das Dreifache an, während die Siedlungsdichte derselben Arten im Kontrollgebiet 1980 und 1984 denselben Wert aufwies.“
Neben dem deutlichen Anstieg der Siedlungsdichte und der Verdreifachung der Höhlen- und Freibrüter, wurden u.a. weitere wichtige Erkenntnisse aus der Studie gewonnen:
- Zunahme der Artenvielfalt von 44 Arten auf 53 Arten (+20%)
- Zunahme der Reviere von 104 auf 257 Reviere (+147%)
- höchste Frequenz an der Futterstelle zur Brutzeit und Jungvogelaufzucht
- weniger aggressives Verhalten
Die genannte Studie von Prof. Dr. Martin Kraft, kann hier im Original nachgelesen werden. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich auf Seite 31 (585).
Empfehlungen von Natur- und Tierschutzverbänden
„Gute Futterqualität zeichnet sich durch viele hochwertige Bestandteile wie Sonnenblumenkerne und Erdnüsse aus. Fett und Talg halten die Körner zusammen und spenden viel Energie. […] Je nach Region und natürlichem Nahrungsangebot kann eine Ganzjahresfütterung deshalb sinnvoll sein. Man unterstützt durch sie die Altvögel, die den Nachwuchs dann leichter mit Insekten versorgen können.“
Deutsche Wildtier Stiftung (34)
„Sämereien, Körner und Nüsse sind meist sehr fetthaltig, sie liefern Vögeln am besten Energie zum Warmhalten im Winter, für das Brutgeschäft oder die Mauser. Zu jeder Jahreszeit beliebt sind Sonnenblumenkerne und Erdnüsse [Fettfutter].“
LBV – Landesbund für Vogel- und Naturschutz (31)
„Der drastische Rückgang der Insekten und Wildkräutersamen hat zur Folge, dass die Vögel längere Flugstrecken zurücklegen müssen und damit wiederum einen höheren Energiebedarf decken müssen. Fetthaltige Nahrung (z.B. aus Meisenknödeln) kann dabei als Treibstoff für den Flugmuskel dienen und den Altvögeln die Jungenaufzucht erleichtern.“
NABU (Kreisverband Gütersloh e.V.) (35)
„Erhöhter Nahrungsbedarf von Vögeln im Jahresverlauf besteht zur Zeit der Eierproduktion und während der Brut und Jungenaufzucht. […] Geeignet zum Füttern sind Sonnenblumenkerne, […] Futterringe und Futterknödel, Kokosnusshälften mit Rinderfett oder Rindertalgstücke.“
BUND Naturschutz in Bayern e.V. (40)
Auch andere Tierschutz-Organisationen wie PETA (36) empfehlen Fettfutter als Ganzjahresfutter. Genau wie bekannte internationale Vogelschutz-Organisationen wie das Cornell Lab of Ornithology der Cornell University in New York, deren Fütterung man täglich im Livestream mitverfolgen kann, oder Europas größte Vogelschutzorganisation, die RSPB (Royal Society for the Protection of Birds) in Großbritannien, empfehlen Fettfutter zur Sommerfütterung (37).
Hoher Energieverbrauch durch Insektenmangel – Fett als wichtiger Energielieferant
Das Insektensterben nimmt dramatische Ausmaße an. Allein die Masse an Fluginsekten nahm innerhalb der letzten 30 Jahre um unglaubliche 75% ab. Heute existieren also gerade mal noch 25% der Fluginsekten als noch vor 30 Jahren (25). Die Strecke, die Vögel heute zurücklegen müssen, um noch Insekten zu finden, erhöht sich mit der Abnahme des Insektenvorkommens. Die Grundversorgung der Vögel ist also nur noch mit einem erhöhten Energieaufkommen zu bewältigen. Um diesen erhöhten Energiebedarf zu decken, steuern die Elternvögel oft Futterstationen an und fressen dort vor allem Fettfutter, um weiterhin die notwendige Flugenergie für die kräftezerrende Jungvogelaufzucht aufbringen zu können, bei der sie fast ausschließlich lebende Insekten verfüttern. Fettfutter dient dabei in erster Linie der Energiezufuhr, da es doppelt so viel Energie liefert wie Proteine oder Kohlenhydrate (2). Auch wenn andere Futtermittel an den Futterstellen zur Verfügung stehen, ist der Verbrauch an Fettfutter im Sommer um ein Vielfaches höher, was den enormen Bedarf verdeutlicht.
Verdauungsprobleme bei Jungvögeln?
Ein häufiges Argument im Sommer kein Fettfutter anzubieten ist, dass Jungvögel angeblich kein Fettfutter verdauen können. Hier die Einschätzung der Ornithologen, die sich wissenschaftlich damit beschäftigen:
Prof. Dr. Martin Kraft, langjähriger Ornithologe und Privatdozent für Ornithologie an der Philipps-Universität in Marburg:
„Bei meinen gesamten Forschungen über die Auswirkung ganzjährig verabreichten Futters konnte ich keinen negativen Einfluss oder gar Verdauungsprobleme bei den Jungvögeln feststellen. […] Lassen Sie sich also nicht von den stereotypen Behauptungen mancher „Ornithologen“ in den Medien, dass Zusatzfutter von Jungvögeln nicht verdaut würde, abhalten, weiterhin Vögel zu füttern.“ 5
Auch der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) bezieht Stellung zu dem Thema:
„Die oft geäußerte Befürchtung, die Jungvögel könnten mit für sie ungeeignetem Futter, wie z.B. Erdnussbruch, gefüttert werden und dadurch Schaden nehmen, scheint sich neueren Studien zufolge zumindest unter ansonsten günstigen Bedingungen nicht zu bestätigen.“
Landesbund für Vogel- und Naturschutz (23)
Frisch geschlüpfte Vogelbabys (Nestlinge) werden von ihren Eltern fast ausschließlich mit proteinreichen Lebendfutter, also lebenden Insekten, gefüttert. Erst wenn in der Umgebung kaum noch Insekten zu finden sind (Kälteeinbruch, Trockenheit, Insektensterben) oder die Elternvögel aus anderen Gründen nicht mehr ausreichend Insekten beschaffen können (Tod eines Elternteils, Krankheit/Schwächung/etc.), die Brut also unmittelbar vom Hungertod bedroht ist, bringen Elternvögel auch Futter von Futterstationen um das Überleben ihrer Brut zu sichern. Dazu der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV):
„Die Altvögel haben nur dann vom Menschen gereichtes Futter an ihre Nachkommen verfüttert, wenn sie überhaupt keine natürliche Nahrung für ihre Jungen finden konnten.“
Landesbund für Vogel- und Naturschutz (24)
Problematisch ist also nicht, dass Fettfutter angeboten wird, sondern, dass der Proteinbedarf der Nestlinge nicht mehr gedeckt werden kann. Auch fehlt dem Futter die Feuchtigkeit, die die Jungvögel sonst über die lebenden Insekten aufnehmen. Die Jungvögel sterben also am Mangel ihrer natürlichen Ernährung – nicht am Fettfutter.
Das bedeutet, dass im Frühjahr und Sommer natürlich unbedingt Fettfutter für die Elternvögel angeboten werden sollte, um den Elternvögeln die Möglichkeit zu geben, die Energie zu bekommen, die sie brauchen um ihre Brut erfolgreich großzuziehen. In Insekten-schwachen Monaten sollten aber nach Möglichkeit auch lebende Insekten am Futterplatz angeboten werden, um der Brut direkt das Überleben zu sichern. Gut geeignet sind z.B. lebende Mehlwürmer aus der Zoohandlung (5). Diese werden mit ein wenig Abstand zum Nest/Nistkasten in einer Schale angeboten, damit die Elternvögel diese leicht erreichen können.
Horror-Fotos: Unverdautes Fettfutter im Magen von toten Jungvögeln
Häufig als Beweis gegen die Fütterung mit Fettfutter, werden eindrucksvolle Bilder im Netz geteilt, auf denen aufgeschnittene Jungvögel zu sehen sind, die unverdautes Körnerfutter (z.B. Erdnussbruch) im Magen zeigen – immer mit dem Hinweis, dass Jungvögel es nicht verdauen können und qualvoll daran sterben (29). Aufrufe die Fettfütterung zu Brutbeginn einzustellen, werden oft zehntausendfach geteilt (30).
Dass die Jungvögel nicht WEGEN des Futters, sondern TROTZ des Futter sterben, wird in diesem Artikel sehr ausführlich erklärt:
Ersticken Jungvögel am Futter?
Unter diesen Umständen können Jungvögel tatsächlich auch Körnerfutter bekommen – erst wenn kaum noch Insekten in der Umgebung zu finden sind, fliegen Elternvögel auch Futterstationen an, um ihre Brut mit dem Futter am Leben zu erhalten – sozusagen als Notfall-Nahrung. Sind die Körner zu groß für den Jungvogel wird es einfach wieder ausgespuckt.
„Gesunde Jungvögel können nicht mit „falschem„ Futter von der Futterstelle umgebracht werden […]. Werden gesunde Jungvögel von ihren Eltern zwischendurch mit Futter von einer Futterstelle versorgt, das ihnen nicht behagt, schleudern sie es alsbald wieder aus. Oft aber hilft ihnen derartiges Futter in unserer an Insekten immer ärmer werdenden Zeit, Engpässe in der Nahrungsbeschaffung durch ihre Eltern zu überleben.“
– Prof. Dr. Peter Berthold 1
Eine ausführlichere Erklärung von Prof. Dr. Peter Berthold zu genau diesem Thema findest du in diesem Artikel:
Prof. Dr. Peter Berthold erklärt dies auch im Video Interview mit BEESTEEZ (ab Minute 27:16).
Auch andere namhafte Professoren für Ornithologie, wie Prof. Dr. Urs Noel Glutz von Blotzheim, berichten von Beobachtungen, bei denen zu große Kerne in großer Zahl einfach wieder ausgespuckt werden, wenn die Elternvögel auf Grund von Insektenmangel, diese an die Jungen verfüttern.
„Nach dem Ausfliegen der Nestlinge am 4. Juli reinigte ich um 16 h den Nistkasten und zählte dabei auf und im Nistmaterial 183 Traubenkirschenkerne, die von den Nestlingen in nur gut 4 Tagen ausgespuckt worden waren.“
Prof. Dr. Urs N. Glutz von Blotzheim (32)
Gesunde Jungvögel, die von dem Eltern auf Grund des Fehlens von Insekten mit zu großem oder ungeeignetem Futter gefüttert wurden, sind also in der Lage dieses einfach auszuspucken. Sollte ein Jungvogel doch einmal mit einem Korn im Rachen sterben, liegt es oft daran, dass es bereits z.B. durch den Nahrungs- bzw. Proteinmangel so geschwächt ist, dass es nicht mehr dazu in der Lage ist es auszuspucken (1).
Tierisches Fett ist unnatürlich und nicht artgerecht?
Gelegentlich bekommt man bei der Diskussion um Fettfutter das Argument zu hören, es wäre nicht artgerecht und unnatürlich, vor allem wenn es sich um tierische Fette wie Rindertalg handelt. Dies ist ein Irrglaube – eindrucksvoll in diesem Video dargestellt:
Die Vögel fressen das Fett von liegengelassenen Kadavern, in diesem Fall einem Rind (Rindertalg). Kadaver dürfen allerdings nicht offen liegen gelassen werden um die Ausbreitung von Krankheiten zu vermeiden. Daher sieht man solche Bilder sehr selten. Dennoch ist es völlig natürlich, dass Vögel in freier Wildbahn tierisches Fett fressen. Dazu der Ornithologe Dr. Norbert Schäffer:
„Vor allem im Winter finden sich einige Gartenvögel, so etwa Meisen, auch an Säugetierkadavern, beispielsweise im Straßenverkehr getöteten Tieren, ein und picken an der Fettschicht unter der Haut. Die Säugetierkadaver sind für diese Vogelarten gewissermaßen das natürliche Äquivalent unserer Meisenknödel.“
Dr. Norbert Schäffer (38)
Es gibt also keinen Grund tierisches Fett als unnatürlich oder nicht-artgerecht abzulehnen. Übrigens, auch in der Hauptnahrung der Vögel, den Insekten, steckt „tierisches Fett“. Tierisches Fett ist also sehr wohl artgerecht und natürlich.
Fettfutter erhöht Bruterfolg
Die Elternvögel nutzen das Fettfutter während der kräftezehrenden Brutzeit fast ausschließlich für sich selbst, um für die notwendige Flugenergie zu sorgen. Geht man nun davon aus, dass diese Energie durch das Futter nicht mehr ausreichend gedeckt wird, müssen die Elternvögel sich diese Energie durch andere vorhanden Quellen beschaffen. Dies werden in erster Linie Insekten sein – die zunehmend weniger werden (vor allem im Sommer) – und die sie natürlich während der Brutzeit in erster Linie für ihre Brut sammeln sollten. Die Brut wird dadurch also weniger Insekten bekommen, als wenn den Elternvögeln Energie in Form Fettfutter zugänglich gemacht wird, weil sie sich das vorhanden Insektenangebot mit den Elternvögeln teilen müssen. Dadurch sinkt die Überlebensrate der Brut. In Zeiten des Insektensterbens, in denen es schon zu wenig Insekten gibt, ist es also nicht ratsam den Energielieferanten Nr. 1 zu verbannen. Je mehr Energie die Elternvögel durch Fettfutter aufnehmen können, desto mehr Insekten bleiben für die Jungvögel.
Studien: Fettfutter reduziert Bruterfolg?
Ein häufig geteilter Text über eine bis heute nicht veröffentlichte Studie der Freien Universität Berlin (Voigt-Heucke 2017) mit dem Titel „Die fetten Jahre sind vorbei? Konsequenzen der Zufütterung von Meisen während der Brutzeit“, dient immer wieder als Beweis dafür, dass Fettfutter mit einer niedrigeren Reproduktionsrate in Zusammenhang stehen soll (20, 26).
Die Einschätzung der Ornithologie zu dieser Studie:
„Da die Untersuchung bereits an vorgeschädigten kleinen Populationen (mit reduzierter Schlupfrate unbekannter Ursache) durchgeführt wurde, nur eine einzige Untersuchungs- mit einer Kontrollfläche verglichen und den Vögeln zudem Glycin appliziert wurde, sind die vollkommen aus dem Rahmen fallenden Ergebnisse alles andere als schlüssig.“
– Prof. Dr. Peter Berthold (7)
Der beobachtete negative Effekt habe so gut wie nichts mit dem Futter bzw. der Zufütterung zutun und widerspreche mehreren anderen Studien, so Deutschlands bekanntester Ornithologe Prof. Dr. Peter Berthold. Leider kann die Studie von Frau Voigt-Heucke auch 7 Jahre später noch immer nicht eingesehen werden, weil sie bis zum heutigen Tag nicht veröffentlicht wurde. Gründe dafür sind leider nicht bekannt.
Eine Anfrage dazu blieb leider unbeantwortet.
Tatsächlich existieren aber aussagekräftigere Studien, die zeigen, dass bei im Winter gefütterten Individuen Anzeichen für einen geringeren Bruterfolg existieren.
Dazu Prof. Dr. Peter Berthold:
„Ursache dafür ist jedoch, dass bei Fütterung mehr konstitutionell schwäche Individuen überleben, die geringeren Bruterfolg haben. Bei dem derzeitigen Rückgang von Meisen einschließlich ihres abnehmenden Bruterfolges ist jedoch das Überleben möglichst vieler Individuen – durchaus aus schwächerer – das wichtigste Ziel. Außerdem werden künftig Vögel, die relativ wenige Eier legen, bei dem akuten Insektenmangel am ehesten eine Chance haben, Junge erfolgreich aufziehen zu können.“
– Prof. Dr. Peter Berthold (28)
Die Fütterung sorgt also dafür, dass auch Vögel überleben, die auf Grund einer Einschränkung (z.B. Schwächung durch Krankheit) sonst keine Chance gehabt hätten. Diese Vögel legen auf Grund ihrer Einschränkung durchschnittlich weniger Eier und ziehen durchschnittlich weniger Jungen groß, was in Studien als „reduzierter Bruterfolg“ erfasst werden kann. Wären diese benachteiligten Vögel ohne Futter verstorben, hätte sich kein reduzierter Bruterfolg beobachten lassen. Dass diese weniger erfolgreichen Bruten dieser benachteiligten Vögel aber zur wichtigen Populationssteigerung beitragen wird oft nicht erwähnt. Die in den oberen Absätzen besprochenen Studien zeigen deutliche Steigerungen der Population durch Fütterung.
Eine weitere Erklärung für einen eventuellen reduzierten Bruterfolg in diesen Studien erklärt der forschende Ornithologe Prof. Dr. Darryl Jones der Griffith Universität in Queensland Australien (33):
„[Fett] ist eine nützliche Energieform, die die physiologischen Herausforderungen des Überlebens in den kalten Monaten erleichtert. Dennoch kann der Zugang zu leicht zugänglicher, fettreicher Nahrung im Winter bedeuten, dass die Vögel weniger Kontakt mit einer vielfältigeren natürlichen Ernährung erhalten. Dies kann auch bedeuten, dass ihnen weniger Antioxidantien zur Verfügung stehen […]. Obwohl eine fettreiche Ernährung im Winter keinen direkten Einfluss auf die spätere Dotterbildung gehabt hätte, schien der Körper der Vögel immer noch mit dem oxidativen Stress zu kämpfen, der ihre Fähigkeit zur Dotterbildung beeinträchtigte.“
Prof. Dr. Darryl Jones
Der leichte und einfache Zugang zu (Fett-)Futter im Winter könnte also unter Umständen dazu führen, dass weniger Antioxidantien aufgenommen werden, als wenn dieses Futter nicht zur Verfügung stehen würde und stattdessen natürliche Nahrung aufgenommen wird – solange dieses natürliche Futter überhaupt vorhanden ist!
Hierbei ist aber eindeutig hervorzuheben, dass nicht das Fett zum reduzierten Bruterfolg führt, sondern lediglich die reduzierte Gesamtaufnahme von Antioxidantien. Auch protein- oder kohlenhydratreiche Futtermittel mit geringe Gehalt an Antioxidantien würden diese Auswirkungen zeigen. Denn nach der Beimengung von Vitamin E, einem starken Antioxidans, zum Fettfutter konnten keine negativen Auswirkungen mehr auf den Bruterfolg festgestellt werden:
„Obwohl theoretisch ein gewisser Nutzen durch die Zugabe dieses Antioxidans erwartet wurde, war das beobachtete Ergebnis dennoch erstaunlich: Vitamin E schien die Wirkung des Fetts aufzuheben, wobei sich die Dottergröße in den Gruppen von Vögeln, die dieses Futter erhielten, nicht von den Vögeln unterschied, die ein natürliches Futter erhielten.“
Prof. Dr. Darryl Jones
In diesem Zusammenhang wäre es also auch für Futtermittelhersteller empfehlenswert, ihre Futtermittel, vor allem Fettfutter, mit zusätzlichem Vitamin E anzureichern, damit durch die Winterfütterung die Bruterfolge im Frühjahr noch weiter gesteigert werden können.
An dieser Stelle ist es noch wichtig zu wissen, dass in diesen Studien, in denen reduzierte Bruterfolge beobachtet wurden, nicht die Gesamtzahl der Individuen erfasst wurde, die von der Fütterung insgesamt profitieren, und auch die Zahl der Nester und Zahl der Jungvögel wurde nicht erfasst, die in Folge der Fütterung zusätzlich entstanden sind. Ergänzendes dazu findest sich in den nächsten beiden Absätzen.
Ergebnisse aus 82 Studien zusammengefasst
Insgesamt gibt es nun zahlreiche Studien zur Ganzjahresfütterung in denen u.a. mit Fettfutter gefüttert wurde. Eine Metaanalyse, bei der 82 Studien aufgearbeitet und zusammengefasst wurde, kommt zu der folgenden Bewertung (21):
„In insgesamt 201 Experimenten aus 82 unabhängigen Studien führte die Nahrungsergänzung zu unterschiedlichen, aber überwiegend positiven Auswirkungen auf die Reproduktionsparameter.“
University of Sydney + University of Turku (21)
Die Masse aller Studien zeigt also einen überwiegend positiven Effekt auf die Population und die Reproduktionsrate der Vögel. Auch wenn vereinzelt gegenteilige Studien existieren, so ist der Nutzen der Fütterung also insgesamt als positiv zu bewerten – Ganzjahresfütterung u.a. mit Fettfutter hilft den Vögeln!
Hier eine kleine Auswahl an Studien in einer Übersicht in denen u.a. Fettfutter angeboten wurde, inkl. Links zu den Originalstudien zum selbst nachlesen:
Was ist Fettfutter überhaupt?
Charakteristisch für Fettfutter ist der hohe Fettgehalt des Futters.
Zum Fettfutter zählen:
- Einzelfuttermittel: Sonnenblumenkerne (ca. 51% Fett) (16), Erdnüsse (ca. 49% Fett) (17)
- Fettfuttermischungen: Meisenknödel, Fettblöcke, Energieriegel, Erdnussbutter, Fettfutterringe, Streufutter und alle mit Fett angereicherte Futtermischungen
Auch mit Fett angereicherte Fertigmischungen aus Beeren, Insekten, Samen und Getreide zählen zum Fettfutter. Hier werden oft Rindertalg, Insektenfett, Kokosfett oder andere Fette untergemischt.
Ranziges Fett im Sommer – Richtige Lagerung
Fetthaltiges Futter, wie z.B. Meisenknödel, werden bei starker Hitze ranzig. Meisenknödel, die sehr lange in der Wärme liegen, beginnen dann unangenehm zu riechen und werden auch von den Vögeln nicht mehr angenommen (6). Beginnt man also gerade erst mit der Fütterung und weiß noch nicht, wie hoch der Verbrauch in den nächsten Wochen sein wird, sollte man je nach Bedarf öfter frisches Fettfutter kaufen und lange Lagerung in warmen Räumen vermeiden. Möglichst kühle Lagerung ist bei allen Fettfutterarten wichtig.
Fazit
Aufgrund des dramatischen Insektenrückgangs ist Fettfutter heute ein wichtiger Energielieferant für die Elternvögel, um ihre Brut mit ausreichend Insekten versorgen zu können. Das Aussetzen der Fettfütterung im Frühjahr und Sommer bedeutet den Verlust eine bedeutsamen Energiequelle und gefährdet dadurch Alt- und vor allem Jungvögel. Daher ist Fettfutter im Frühjahr und Sommer nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich von forschenden Ornithologen empfohlen. Dass Fettfutter zur Brutzeit die Population erhöht, ist wissenschaftlich mehrfach nachgewiesen. Wer auch die Jungvögel direkt mit Futter unterstützen möchte, bietet neben Fettfutter für die Eltern auch lebende Insekten wie Mehlwürmer an, mit denen die Eltern ihre Jungen direkt füttern können.
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Quellen:
1 – Insektensterben (Wikipedia)
2 – Energiegehalt (Deutsche Gesellschaft für Ernährung)
3 – Buch „Vögel füttern – aber richtig“ (Prof. Dr. Peter Berthold, 4. Auflage, Seite 83-84)
4 – Ganzjährig Vogelfutter für Wildvögel? Tipps von Prof. Dr. Berthold (YouTube: Vogeltreff24.de)
5 – Verdauung – Ist Fettfutter gefährlich für Jungvögel? (Vivara)
6 – Wintervögel richtig füttern: Was Sie beachten müssen (OM-Online.de)
7 – Buch „Vögel füttern – aber richtig“ (Prof. Dr. Peter Berthold, 5. Auflage, Seite 185, „Meisen und Knödel“)
8 – Effects of bird-feeding activities on the health of wild birds (NCBI PubMed)
9 – The composition of British bird communities is associated with long-term garden bird feeding (nature communications
10 – Feeding birds in summer: mythbusting (RSPB)
11 – Vogelfütterung (Deutscher Tierschutzbund)
12 – Vögel füttern – auch im Sommer? (PETA Deutschland)
13 – Vögel füttern? Ja bitte! (WWF Deutschland)
14 – Ratgeber Vogelfütterung (PDF, Seite 7, Deutsche Wildtier Stiftung)
15 – Ein Plädoyer für die Ganzjahresfütterung (NABU)
16 – Sunflower seed (Wikipedia)
17 – Erdnuss (Wikipedia)
18 – Studie: Untersuchungen zur Siedlungsdichte und Territorialbiologie freilebender Vögel bei zusätzlich verabreichtem Futter (Prof. Dr. Martin Kraft, Universität Marburg)
19 – Publikationen: Silke Voigt-Heucke (Museum für Naturkunde)
20 – Kontra: Ist viel Fett auch für Vögel schädlich? (riffreporter.de)
21 – Reproductive responses of birds to experimental food supplementation: a meta-analysis (University of Sydney, University of Turku)
22 – öffentlicher Facebook-Post von Prof. Dr. Martin Kraft (11. Mai2020, 05:03)
23 – Ganzjahresfütterung – Was wir tun (LBV München)
24 – Ganzjahresfütterung – Was wir tun (LBV München)
25 – Ein Plädoyer für die Ganzjahresfütterung (NABU Kreisverband Gütersloh e.V.)
26 – Die fetten Jahre sind vorbei? Konsequenzen der Zufütterung von Meisen während der Brutzeit (Seite 42/334, Deutsche Ornithologen-Gesellschaft, 150. Jahresversammlung)
27 – Die Natur ist kein Freiluft-Zoo (NABU)
28 – Buch „Vögel füttern – aber richtig“ (Prof. Dr. Peter Berthold, 5. Auflage, Seite 177)
29 – öffentlicher Facebook-Post der Wildvogelhilfe Brilon HSK
30 – öffentlicher Facebook-Post der Wildtierhilfe Amerang e.V.
31 – Alles zum Thema Vogelfütterung (LBV-Inn Salzlach)
32 – Finden Gartenrotschwänze Phoenicurus phoenicurus noch überall genügend Insekten, um erfolgreich Junge aufzuziehen? (Der Ornithologische Beobachter / Band 112 / Heft 1 / März 2015 – Seite 2 (52), Absatz „Ernährung“)
33 – Buch: „The Birds at My Table: Why We Feed Wild Birds and Why It Matters„, Kapitel „What about the Composition of the Food?“, Seite 170 – Darryl Jones, Grifith University Queensland, Australia
34 – Ratgeber VOGELFÜTTERUNG (Deutsche Wildtier Stiftung)
35 – EIN PLÄDOYER FÜR DIE GANZJAHRESFÜTTERUNG (NABU Gütersloh)
36 – Vögel füttern – auch im Sommer? Alle Infos zu Vogelfutter & Co. (PETA)
37 – Helping birds near you (RSPB)
38 – Buch „Vögel füttern im Garten“ (Dr. Norbert Schäffer, Seite 25)
39 – Buch „Vögel füttern im Garten“ (Dr. Norbert Schäffer, Seite 51/35/64)
40 – Vogelfütterung im Winter oder ganzjährig? (BUND Naturschutz)
Foto:
Capri23auto (pixabay.com)